Kernaussagen
Stammdaten sind die Basis für stabile und automatisierte ERP-Prozesse.
Fehler in Stammdaten wirken sofort und verursachen hohe Folgekosten.
Automatisierung und KI funktionieren nur mit verlässlicher Datenqualität.
Verantwortung liegt in den Fachbereichen – nicht allein in der IT.
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Einleitung: Warum Stammdaten über Erfolg oder Scheitern Ihres ERP entscheiden
Viele Unternehmen führen ein ERP-System ein, um Abläufe zu automatisieren, Transparenz zu gewinnen und Mitarbeitende zu entlasten. In der Praxis zeigt sich jedoch schnell: Das System kann nur so gut arbeiten, wie die Daten dahinter es zulassen. Automatische Dispositionen greifen nicht, Planungsdaten passen nicht zur Realität, Preisfindungen liefern unerwartete Ergebnisse – und plötzlich stehen wieder Excel-Listen im Mittelpunkt, obwohl das ERP technisch alles könnte.
Studien zeigen, dass schlechte Datenqualität zu spürbaren Mehrkosten, Prozessbrüchen und Fehlentscheidungen führt [1]. In ERP-Projekten verstärkt sich dieser Effekt: Das System ist neu, aber die alten Stammdaten bleiben unverändert – häufig unvollständig, unstrukturiert oder schlicht nicht für Automatisierung ausgelegt.
Dabei sind Stammdaten genau das, was ein ERP-System braucht, um stabil zu funktionieren. Ohne verlässliche Materialdaten keine Planung. Ohne vollständige Kunden- und Lieferantendaten keine sauberen Abläufe. Ohne realistische Arbeits- und Rüstzeiten keine Termin- und Kapazitätsplanung. Und ohne konsistente Strukturen keine fundierte KI-Unterstützung.
Gepflegte Stammdaten sind deshalb keine technische Pflichtübung, sondern ein Managementthema: Sie entscheiden darüber, ob Automatisierung tatsächlich entlastet – oder ob sie im Alltag wieder ausgeschaltet wird.
Am Ende dieses Beitrags finden Sie eine Checkliste zum Stammdaten-Reifegrad, mit der Sie den Zustand Ihrer Datenbasis realistisch bewerten können. Sie zeigt, wie gut Ihr Unternehmen bereits aufgestellt ist – und wo sich mit wenig Aufwand große Hebel für Prozessqualität, Automatisierung und KI ergeben.
Abschnitt 1: Was sind Stammdaten im ERP – und was nicht?
Stammdaten vs. Bewegungsdaten – einfache Unterscheidung mit Praxisbeispielen
Stammdaten sind laut Gabler Wirtschaftslexikon grundlegende betriebliche Daten, die über einen längeren Zeitraum unverändert bleiben und nur periodisch aktualisiert werden [1]. Dazu gehören z. B. Artikel- und Materialstammdaten, Kunden- und Lieferantendaten oder technische Strukturen wie Stücklisten. Sie bilden das Fundament für alle Geschäftsprozesse im ERP.
Bewegungsdaten dagegen entstehen laufend im Tagesgeschäft – etwa Aufträge, Bestellungen, Lieferscheine oder Buchungen. Sie verändern sich ständig, beziehen sich aber immer auf die Stammdaten. Wenn dort Werte fehlen oder unpräzise sind, wirken sich die Fehler unmittelbar in allen Bewegungsdaten aus.
Konkrete Beispiele aus der Praxis:
- Materialstammdaten: Maße, Gewichte, Mindestbestände und Lieferzeiten steuern die Disposition.
→ Unplausible Lieferzeiten führen zu Fehlteilen oder zu hohen Beständen.
- Kundenstamm: Zahlungsbedingungen, Lieferadressen, Steuerkennzeichen.
→ Fehler verursachen Falschbuchungen, Verzögerungen oder manuelle Nacharbeiten.
- Technische Stammdaten: Stücklisten und Arbeitspläne sind entscheidend für Planung und Kalkulation.
→ Vor allem Arbeits- und Rüstzeiten bestimmen, wie der Planer Termine berechnet oder Kapazitäten geplant werden können.
- Preis- und Konditionsstämme: Rabattregeln, Preislisten, Staffelpreise.
→ Grundlage für automatische Preisfindung – fehlerhafte Einträge führen zu falsch bewerteten Angeboten oder Rechnungen.
Typische Stammdaten-Kategorien im Unternehmen
Die konkrete Ausprägung hängt vom Geschäftsmodell ab, aber die meisten ERP-Systeme kennen ähnliche Gruppen:
- Kunden- und Lieferantendaten: Adressen, Rollen, Zahlungsbedingungen, Steuermerkmale.
- Material- und Artikelstammdaten: Maße, Varianten, Klassifizierungen, Dispo-Parameter, Mindest- und Sicherheitsbestände.
- Preis- und Konditionsdaten: Preislisten, Zuschläge, zeitliche Gültigkeiten, Rabatte.
- Technische Stammdaten:
- Stücklisten: Komponenten, Mengen, Versionen.
- Arbeitspläne: Arbeitsgänge, Arbeitsplätze, Rüst- und Bearbeitungszeiten.
- Ressourcendaten: Maschinen, Schichten, Kapazitäten, Kalender.
Gerade die technischen Stammdaten gehören zu den unterschätzten Schlüsselhebeln: Sie entscheiden über die Qualität von Planung, Terminierung und Kalkulation. In vielen ERP-Projekten zeigt sich genau hier, wie groß der Unterschied zwischen „System vorhanden“ und „System wirksam“ tatsächlich ist.
Abschnitt 2: Warum gepflegte Stammdaten die Basis jeder Automatisierung und KI im ERP sind
Von Regeln zu Automatismen – wie Stammdaten Prozesse wirklich steuern
Automatisierung im ERP bedeutet nicht „Software ersetzt Arbeit“, sondern:
Das System führt Schritte automatisch aus, weil die Regeln klar sind – und diese Regeln stehen in den Stammdaten.
Typische Beispiele aus dem Alltag:
- Disposition:
Bestellvorschläge funktionieren nur, wenn Dispositionsmethoden, Mindestbestände und Lieferzeiten korrekt gepflegt sind.
Unplausible Lieferzeiten führen zu zu frühen oder zu späten Bestellungen – unabhängig davon, wie „intelligent“ das System ist.
- Produktionsplanung:
Termin- und Kapazitätsplanung hängen direkt an Arbeitsplänen, insbesondere an realistischen Rüst- und Bearbeitungszeiten.
Wenn diese Zeiten nicht stimmen, arbeitet das Planungssystem zwar „fehlerfrei“ – aber auf Basis falscher Annahmen.
Das Ergebnis: unhaltbare Liefertermine, Überlastung in bestimmten Bereichen, Leerlauf in anderen.
- Preisfindung:
Rabattregeln, Preislisten, Staffelpreise und Gültigkeitszeiträume bestimmen automatisch, welcher Preis im Angebot oder in der Rechnung landet.
Fehler in den Preisstammdaten führen hier sofort zu Margenproblemen oder manuellen Korrekturen.
Damit wird sichtbar:
Studien zeigen, dass die Leistungsfähigkeit automatisierter Prozesse wesentlich von der Qualität der zugrunde liegenden Master Data abhängt – nicht von der Software selbst [3]. Fehlerhafte Stammdaten machen ein ERP nicht nur unpräzise – sie machen Automatisierung unbrauchbar.
Arbeitsteilung Mensch–System: Entlastung statt Dauer-Kontrolle
Ein ERP-System soll Mitarbeitende entlasten, indem es Standardentscheidungen selbst trifft. Das gelingt nur, wenn das System auf vertrauenswürdige Daten zugreifen kann.
Typische Beispiele:
- Prüfungen und Validierungen:
Kreditlimits, Zahlungsziele, Sperrkennzeichen oder Preisregeln können automatisch geprüft werden.
Stimmen die Daten, bucht das System Vorgänge direkt – der Mensch entscheidet nur bei echten Ausnahmen.
- Disposition und Lager:
Das System schlägt Bestellmengen und Termine vor.
Wenn jedoch Parameter wie Mindestbestände oder Lieferzeiten nicht passen, werden Vorschläge ständig übersteuert.
Das führt zu einem schleichenden Effekt:
→ Automatisierung wird abgeschaltet, weil das Vertrauen in die Daten fehlt.
- Produktionsplanung:
Planer korrigieren Termine und Kapazitäten manuell, wenn Zeiten oder Stücklisten nicht passen.
Das kostet nicht nur Zeit – es zerstört auch die Grundlage für digitale Planung.
Empirische Studien bestätigen dieses Muster: Je besser die Stammdaten, desto höher der Automatisierungsgrad – und desto weniger Kontroll- oder Nacharbeiten beim Menschen [3]. Schlechte Stammdaten tun das Gegenteil: Sie zwingen Unternehmen zu Excel-Umwegen, Schattenprozessen und redundanter Pflege.
Ohne saubere Daten keine KI – warum moderne Systeme an Stammdaten scheitern
Viele ERP-Systeme bringen inzwischen KI- oder KI-ähnliche Funktionen mit – sei es in der Prognose, Klassifikation oder Entscheidungsunterstützung. Doch diese Möglichkeiten entfalten nur Wirkung, wenn die Datenbasis stimmt.
Beispiele:
- Prognosen im Verkauf oder in der Disposition:
KI erkennt Muster nur, wenn Artikelgruppen, Kundensegmente oder Saisonmerkmale sauber gepflegt sind.
Fehlerhafte Klassifikationen führen zu falschen Bestellmengen oder unrealistischen Trendanalysen.
- Anomalieerkennung im Einkauf oder Lager:
Unplausible Preise oder Bestände können automatisch erkannt werden –
aber nur, wenn der „normale“ Datenbereich korrekt hinterlegt ist.
- Intelligente Produktionsplanung:
Moderne Planungssysteme nutzen Machine Learning, um Laufzeiten zu optimieren.
Wenn die Arbeitspläne bereits ungenau sind, lernt die KI nur die falschen Muster.
Der entscheidende Punkt ist: KI kann nur wirksam arbeiten, wenn die zugrunde liegende Datenqualität stimmt – laut Bitkom gehört fehlende Datenqualität zu den zentralen Hemmnissen beim Einsatz von KI in Unternehmen [5]
Das Potenzial moderner Systeme hängt deshalb nicht zuerst von der Technologie ab, sondern von der Datenbasis, die sie auswerten können.
Abschnitt 3: Warum ERP-Projekte erst mit sauberen Stammdaten den erwarteten Wertbeitrag liefern
Vor dem ERP-Wechsel: Stammdaten als entscheidende Vorbereitung
Bevor ein neues ERP-System überhaupt implementiert wird, zeigt sich häufig ein Muster:
Die bestehenden Stammdaten sind historisch gewachsen, heterogen oder nur teilweise gepflegt. Genau in ERP-Projekten wird zum ersten Mal sichtbar, wie groß der Aufräumbedarf wirklich ist: unterschiedliche Nummernkreise, widersprüchliche Lieferzeiten, ungenaue Stücklisten oder in Excel gepflegte Arbeitspläne.
Für eine erfolgreiche Einführung gilt deshalb:
Ein ERP kann nur abbilden, was vorhanden ist – und schlechte Ausgangsdaten werden durch ein neues System nicht automatisch besser. Viele Unternehmen sehen laut Bitkom-Studie genau hierin eine der zentralen Digitalisierungsbarrieren [5].
Typische Herausforderungen in dieser Phase:
- Dubletten im Kunden- oder Lieferantenstamm
- Materialstämme mit fehlenden oder widersprüchlichen Dispositionsparametern
- Stücklisten, die nicht der tatsächlichen Fertigungslogik entsprechen
- Arbeitspläne mit geschätzten statt gemessenen Zeiten
Unternehmen, die hier früh ansetzen, reduzieren Projektrisiken erheblich. Eine gezielte Stammdaten-Bereinigung – parallel zur Auswahl oder in der frühen Projektvorbereitung – beschleunigt spätere Schritte deutlich.
Stammdaten-Strukturen und Datenmodell: passt das ERP zu unserem Geschäft?
Bei ERP-Auswahlprojekten liegt der Fokus oft auf Funktionen, Modulen und Oberfläche. Ein kritischer Punkt wird dabei häufig unterschätzt:
Passt das Datenmodell des ERP zu den realen Strukturen des Unternehmens?
Beispiele:
- Ein Unternehmen mit Variantenfertigung benötigt flexible Stücklisten- und Klassifikationslogiken.
- Produktionsbetriebe brauchen fein auflösbare Arbeitspläne, Schichtkalender und Kapazitätsmodelle.
- Handelsunternehmen benötigen starke Preis- und Konditionsmodelle.
- Unternehmen mit Servicegeschäft brauchen klare Stammdaten für Seriennummern, Wartungsobjekte oder Verträge.
Die Frage ist weniger: „Hat das ERP Feature X?“, sondern:
„Kann es unsere Stammdaten so abbilden, dass Prozesse stabil laufen und automatisiert werden können?“
Wenn das Datenmodell nicht passt, entstehen später Workarounds, Parallellogiken oder Schattenprozesse – oft wieder in Excel. Die Folge ist ein System, das zwar eingeführt, aber nicht richtig genutzt wird.
ERP-Einführung und Cutover: Stammdaten als kritischer Pfad
In der Implementierungsphase zeigt sich dann endgültig, wie entscheidend Stammdaten sind. Migrationen gehören zu den risikoreichsten Teilen eines ERP-Projekts – nicht wegen der Technik, sondern wegen der Datenqualität.
Typische Stolpersteine:
- unvollständige oder uneinheitliche Felder (z. B. Maße, Zeitvorgaben, Dispo-Parameter)
- alte Artikel oder Kunden ohne klare Struktur, die trotzdem migriert werden sollen
- Freitextfelder statt strukturierter Informationen
- Arbeitspläne, die nicht den realen Arbeitsgängen entsprechen
Für einen stabilen Go-Live braucht es deshalb:
- klare Regeln, welche Stammdaten übernommen werden – und was bewusst nicht
- einheitliche Nummernkreise und Pflichtfelder
- Testmigrationen, um Fehler früh zu erkennen
- konkrete Cutover-Checklisten für Material-, Kunden-, Lieferanten-, Preis- und technische Stammdaten
- eine verantwortliche Rolle je Stammdatentyp (z. B. Data Owner)
Viele Einführungsprobleme sind auch Stammdatenprobleme: Fehlende Zeiten führen zu falschen Lieferterminen, unvollständige Materialstämme zu Dispo-Fehlern – und das System wird „manuell übersteuert“, bevor es überhaupt produktiv genutzt wurde.
Abschnitt 4: Stammdatenmanagement organisieren – Rollen, Prozesse, Governance
Rollen und Verantwortlichkeiten: Wer „besitzt“ welche Daten?
Damit Stammdaten dauerhaft verlässlich bleiben, braucht es klare Verantwortlichkeiten – ein Grundprinzip, das auch in Referenzmodellen des Master Data Quality Management hervorgehoben wird [2]. Entscheidend ist dabei: Die Verantwortung liegt im Fachbereich – nicht allein in der IT. Die IT stellt das System bereit, aber Inhalt, Qualität und Aktualität gehören den Prozessen und Teams, die täglich damit arbeiten.
Eine sinnvolle Zuordnung kann beispielsweise so aussehen:
- Kundenstammdaten → Vertrieb / Customer Service
- Lieferantenstammdaten → Einkauf
- Material- und Artikelstammdaten → Produktion / Arbeitsvorbereitung / Logistik
- Preis- und Konditionsstammdaten → Vertrieb / Controlling
- Technische Stammdaten (Stücklisten, Arbeitspläne) → Arbeitsvorbereitung / Produktion
Ein häufiges Muster in Unternehmen lautet: „IT kümmert sich darum, wir liefern nur Input.“
Dieses Modell führt fast immer zu Unklarheiten, Nacharbeiten oder Verzögerungen, weil die IT nicht die fachliche Tiefe besitzt, um Materialstrukturen, Fertigungsabläufe oder Preismodelle zu beurteilen.
Wichtig:
Die geeignete Organisationsform hängt auch von der Größe des Unternehmens ab. Um hier die Bandbreite der Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen:
- Kleinere Unternehmen arbeiten oft erfolgreich mit klar benannten Personen pro Stammdatentyp (z. B. „Materialverantwortliche“).
- Mittelständische Unternehmen profitieren von klaren Rollenmodellen wie Data Owner (fachliche Verantwortung) und Data Steward (operative Pflege).
- Größere Organisationen benötigen häufig zentrale Data Governance, Quality Gates, definierte Regeln und ggf. ein Data Office.
Prozesse für Stammdatenpflege: Von Neuanlage bis Stilllegung
Stammdatenmanagement funktioniert nur, wenn es standardisierte Prozesse gibt – unabhängig davon, ob ein Unternehmen 50 oder 5.000 Mitarbeitende hat. Die Komplexität variiert, aber die Logik bleibt gleich.
Die wichtigsten Prozesse:
Neuanlage von Stammdaten
Pflichtfelder je Stammdatentyp (z. B. Maße, Gewichte, Dispo-Parameter, Zeitvorgaben)
Ein strukturiertes Formular oder Workflow für neue Kunden, Materialien oder Lieferanten
Vier-Augen-Prinzip für kritische Felder wie Preise oder Arbeitszeiten
Änderungen an Stammdaten
Wer darf was ändern?
Technische Stammdaten wie Stücklisten und Arbeitspläne sollten nur durch definierte Fachrollen angepasst werden
Dokumentation von Änderungen, die für Planung, Kalkulation oder Compliance relevant sind
Stilllegung und Bereinigung
Alte Artikel, inaktive Kunden oder überholte Stücklisten sollten systematisch gekennzeichnet werden
Vermeidung voller Suchmasken, falscher Vorschläge oder ungeplanter Buchungen
Praktisches Beispiel:
Ein Unternehmen legt neue Artikel nur noch über ein zentrales Formular an – inklusive Materialgruppe, Maße, Einheit, Dispo-Verfahren und Arbeitsplan. Vorher wurden Artikel „mal eben schnell“ erzeugt, teilweise ohne technische Strukturen. Ergebnis: deutlich weniger Fehler in Planung und Beschaffung.
Datenqualität messbar machen – pragmatische KPIs statt Perfektionismus
Hohe Datenqualität bedeutet nicht, dass jede Tabelle perfekt gefüllt ist. Entscheidend ist: relevante Daten müssen für die Automatisierung verlässlich sein. Die Qualität lässt sich mit wenigen Kennzahlen gut überwachen.
Praktische KPIs:
- Vollständigkeit wichtiger Pflichtfelder (z. B. Lieferzeiten, Dispo-Parameter, Rüst- und Bearbeitungszeiten).
- Dublettenquote im Kunden-, Lieferanten- oder Materialstamm.
- Quote automatisierter Vorgänge, die ohne manuelle Korrektur laufen (Disposition, Preisfindung, Planung).
- Anteil problematischer Felder, die regelmäßig von Hand übersteuert werden.
- Zeitbedarf für Stammdatenpflege, z. B. Neuanlage eines Materials.
Diese Kennzahlen sind besonders wertvoll, weil sie direkt auf Automatisierung und Effizienz einzahlen. Sie zeigen, wo das System bereits sauber arbeitet – und wo natürliche Grenzen entstehen, weil Strukturen fehlen oder Daten inkonsistent sind.
Der wichtigste Punkt:
👉 Stammdatenqualität ist kein Zustand, sondern ein laufender Prozess.
Unternehmen mit klaren Rollen, schlanken Prozessen und wenigen, aber aussagekräftigen KPIs sind langfristig deutlich erfolgreicher – unabhängig von Unternehmensgröße oder ERP-Hersteller.
Wie Sie das Thema Stammdaten jetzt konkret angehen
Stammdaten sind kein Spezialthema für IT-affine Mitarbeitende und auch kein einmaliger Schritt im Rahmen einer ERP-Einführung. Sie sind ein kontinuierlicher Erfolgsfaktor, der bestimmt, wie stabil, wie automatisiert und wie effizient Ihr Unternehmen arbeiten kann. Damit der Einstieg gelingt, helfen fünf pragmatische Schritte, die unabhängig von Branche und Unternehmensgröße funktionieren.
- Stammdaten-Landkarte erstellen: Welche Daten gibt es – und wem gehören sie?
Bevor Sie etwas verbessern, müssen Sie wissen, was vorhanden ist.
Eine einfache Übersicht reicht: Welche Stammdatentypen existieren? Wo liegen sie? Wer pflegt sie heute? Wo kommen Fehler vor?
Diese Transparenz zeigt schnell, wo Nacharbeiten entstehen – und wo durchgängige Verantwortlichkeiten fehlen.
- Schmerzpunkte mit Automatisierung identifizieren
Ein praktischer Ansatz:
Schauen Sie gezielt dorthin, wo Systeme heute Vorschläge machen – und wo diese ständig übersteuert werden. Das ist der sicherste Hinweis auf ungenaue oder fehlende Stammdaten.
Typische Beispiele:
- unzuverlässige Bestellvorschläge
- unrealistische Produktions- und Liefertermine
- fehlerhafte Preisvorschläge
- wiederholte Rückfragen im Vertrieb oder Einkauf
- manuelle Nachkorrekturen nach automatischen Buchungen
Diese Punkte zeigen sofort, wo der größte Hebel liegt.
- Minimal-Standards definieren: Nicht perfekt, aber verbindlich
Sie brauchen keine riesigen Regelwerke, sondern klare Mindeststandards, z. B.:
- Pflichtfelder je Stammdatentyp
- definierte Dispositionsverfahren
- realistische Zeitvorgaben in technischen Stammdaten
- eindeutige Preis- und Konditionslogik
- feste Regeln für Nummernkreise
Diese Standards sind das Gegenteil von Bürokratie:
Sie reduzieren Diskussionen, Fehlerquoten und manuelle Nacharbeit spürbar.
- Quick Wins umsetzen: Kleine Schritte, große Wirkung
Stammdatenprojekte müssen nicht groß starten. Oft reichen kleine Maßnahmen mit spürbarer Wirkung:
- Dublettenbereinigung in Kunden- oder Lieferantenstämmen
- klare Prozesse für Material-Neuanlage
- Aktualisierung zentraler Zeitvorgaben in Arbeitsplänen
- Bereinigung alter Artikel oder ungültiger Stücklisten
- Einführung eines kurzen Prüfprozesses für neue Preise oder Konditionen
Solche Schritte verbessern die Datenqualität sofort – und erhöhen das Vertrauen in Automatismen.
- Stammdatenmanagement als Daueraufgabe verankern
Ob 50 oder 5.000 Mitarbeitende:
Es braucht eine dauerhafte Struktur, um Datenqualität stabil zu halten.
Geeignete Ansätze:
- Rolle „Data Owner“ für fachliche Verantwortung
- Rolle „Data Steward“ für operative Pflege
- regelmäßige Reviews (z. B. quartalsweise)
- Kennzahlen zur Datenqualität (Vollständigkeit, Dublettenquote, Übersteuerungsquote)
- definierter Prozess für Neuanlage, Änderung und Stilllegung
Damit wird Stammdatenmanagement zu einer normalen Führungs- und Organisationsaufgabe – und nicht zu einer wiederkehrenden technischen Großbaustelle. Forschung zeigt, dass Data Governance – also klare Verantwortlichkeiten, Rollen und Regeln für Daten – einen direkten Einfluss auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens haben kann [4].
Abschlussgedanke
Das Potenzial Ihres ERP-Systems liegt nicht primär in Funktionen, Modulen oder Dashboards – es liegt in der Qualität Ihrer Stammdaten.
Sie bestimmen, ob Automatisierung trägt, ob KI einen echten Nutzen stiftet und ob Entscheidungen auf verlässlicher Grundlage getroffen werden können.
Gute Stammdaten sind damit kein Selbstzweck, sondern einer der stärksten Hebel für Effizienz, Skalierbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit.
Im Kern sorgt Governance dafür, dass Anpassungen nicht isoliert entstehen, sondern eingebettet in eine klare Strategie. Es ist die Verbindung aus fachlichem Wert, technischer Sauberkeit und betrieblicher Stabilität, die ein ERP-System über Jahre verlässlich macht. Ohne diese Struktur entscheidet jeder für sich – und das System verliert seine Richtung. Mit ihr entsteht ein Rahmen, in dem Erweiterungen kontrolliert, sinnvoll und updatefähig bleiben.
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FAQ
Was sind Stammdaten im ERP und warum sind sie so wichtig?
Stammdaten sind grundlegende, vergleichsweise stabile Informationen wie Materialien, Kunden, Lieferanten oder Arbeitspläne. Sie steuern viele Entscheidungen im ERP, etwa Disposition, Preisfindung oder Planung. Ohne vollständige und konsistente Stammdaten funktionieren Automatisierung und KI nicht verlässlich.
Wie unterscheiden sich Stammdaten von Bewegungsdaten?
Stammdaten ändern sich selten und definieren die Struktur von Prozessen. Bewegungsdaten entstehen täglich im operativen Geschäft, zum Beispiel Aufträge, Bestellungen oder Buchungen. Bewegungsdaten beziehen sich immer auf Stammdaten – Fehler in den Stammdaten wirken sich deshalb unmittelbar auf alle Vorgänge aus.
Welche Stammdaten beeinflussen die Automatisierung im ERP besonders stark?
Entscheidend sind Dispo-Parameter, Lieferzeiten, Mindestbestände, Arbeitspläne, Stücklisten sowie Preis- und Konditionslogiken. Sie legen fest, wie das ERP Entscheidungen trifft. Sind diese Werte unvollständig oder falsch, werden Vorschläge übersteuert und Automatisierung verliert Wirkung.
Warum scheitern ERP-Projekte häufig an Stammdaten?
Ein neues ERP verbessert schlechte Daten nicht automatisch. Wenn Nummernkreise, Zeitvorgaben, Dispo-Parameter oder Stücklisten ungenau sind, entstehen Fehler bereits vor dem Go-Live. Viele Probleme in der Einführung sind eigentlich Stammdatenprobleme – sichtbar wird das erst während Migration und Test.
Wie lässt sich Stammdatenqualität im Unternehmen messen?
Sie lässt sich über wenige KPIs zuverlässig bewerten: Vollständigkeit wichtiger Felder, Dublettenquote, Anteil automatisierter Vorgänge ohne manuelle Korrekturen, Übersteuerungsquote sowie Zeitaufwand für die Pflege. Diese Werte zeigen, wie stabil das ERP arbeitet und wo Optimierung nötig ist.
Welche Rollen braucht ein wirksames Stammdatenmanagement?
In kleineren Unternehmen reichen klare Zuständigkeiten je Stammdatentyp. Mittelständler profitieren von Rollen wie Data Owner (fachlich) und Data Steward (operativ). Größere Unternehmen arbeiten häufig mit Data Governance, Quality Gates und einem Data Office. Entscheidend ist: Verantwortung liegt im Fachbereich.
Was ist Stammdatenmanagement und warum ist es keine einmalige Aufgabe?
Stammdatenmanagement umfasst Pflege, Qualitätskontrolle und Governance der zentralen Unternehmensdaten. Da sich Produkte, Märkte und Prozesse laufend ändern, bleibt es eine Daueraufgabe. Unternehmen mit klaren Prozessen halten Datenqualität langfristig hoch – und steigern damit Automatisierung und Prozessstabilität.
Quellen
- Gabler Wirtschaftslexikon. (o. J.). Stammdaten. In Gabler Wirtschaftslexikon Online. Springer Fachmedien. Abruf im Dezember 2025 von https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/stammdaten-43248
- Otto, B., Hüner, K. M., & Österle, H. (2012). Toward a functional reference model for master data quality management. Information Systems and e-Business Management, 10(3), 395–425. https://doi.org/10.1007/s10257-011-0178-0
- Vetter, S. N., Zettl, A., Mützel, M. M., & Tafreschi, O. (2024). Quantitative analysis of the relationship between master data quality and process quality. In Proceedings of the 26th International Conference on Enterprise Information Systems (ICEIS 2024), Volume 1 (S. 50–60). SciTePress. https://doi.org/10.5220/0012548200003690
- Addagada, T. C. (2023). Corporate data governance, an evolutionary framework, and its influence on financial performance. Global Journal of Business and Integral Security, 6(1). Abruf: https://www.gbis.ch/index.php/gbis/article/view/141
- Bitkom e. V. (2025). Digitalisierung der Wirtschaft 2025. Bitkom Research.


