Kernaussagen
- ERP-Projekte sind Organisationsprojekte, keine IT-Einführungen.
- Echte Unterstützung heißt: Zeit, Priorität und Richtung – nicht nur Budget.
- Führung muss sichtbar bleiben – in Entscheidungen, Kommunikation und Haltung.
- Wer Verantwortung übernimmt, schafft Vertrauen, Geschwindigkeit und Qualität.
Warum „Management-Support“ in ERP-Projekten so oft missverstanden wird
Fast jedes Unternehmen nutzt heute ein ERP-System – aber nur wenige erleben eine Einführung oder Modernisierung wirklich als Erfolg. Das liegt selten an der Software selbst. Viel häufiger scheitern ERP-Projekte daran, dass Führung, Verantwortung und Kommunikation auf oberster Ebene fehlen oder zu spät einsetzen. Studien zeigen: In mehr als der Hälfte aller ERP-Projekte gehört ein mangelnder Rückhalt des Top-Managements zu den zentralen Ursachen für Verzögerungen, Konflikte oder Projektabbrüche [1].
Das Missverständnis beginnt oft schon bei der Definition. Wenn von „Management-Support“ die Rede ist, denken viele an Budgetfreigaben, Lenkungsausschüsse oder die Teilnahme am Projektkick-off. In der Praxis reicht das jedoch nicht aus. Echte Unterstützung bedeutet, dass das Management Verantwortung sichtbar übernimmt – für Ziele, Prioritäten, Ressourcen und die Kommunikation im gesamten Unternehmen [2].
ERP-Projekte sind keine rein technischen Aufgaben, sondern betriebswirtschaftliche Veränderungsvorhaben. Sie greifen tief in Abläufe, Rollen und Entscheidungswege ein. Deshalb braucht es ein Management, das nicht nur genehmigt, sondern führt, erklärt und Rückendeckung gibt [3]. Gerade in mittelständischen Unternehmen ist dieser Aspekt entscheidend, weil die operative Nähe zwischen Geschäftsführung und Belegschaft groß ist – und damit auch der Einfluss, den Führung auf Haltung und Motivation der Teams hat.
Analysen von Deloitte zeigen, dass Projekte mit aktiv eingebundenen Geschäftsführern oder CFOs signifikant höhere Erfolgsquoten aufweisen [4]. Der Unterschied liegt nicht im Budget, sondern in der Klarheit der Zielrichtung: Wer im Management selbst Orientierung gibt, senkt Komplexität und schafft Vertrauen im Projektteam. Und Vertrauen ist in ERP-Vorhaben oft der knappste, aber wichtigste Rohstoff.
Hinzu kommt: In Deutschland haben laut Bitkom mittlerweile 98 Prozent der Unternehmen mindestens eine ERP-Lösung im Einsatz [5]. Fast jede strategische Veränderung – von der Produktion über Vertrieb bis zur Finanzsteuerung – berührt damit das ERP-System. Wenn also die Unternehmensleitung hier nicht aktiv gestaltet, überlässt sie die Ausrichtung eines zentralen Nervensystems dem Zufall oder der IT-Abteilung.
Das Ergebnis ist vorhersehbar: Projekte, die gut gemeint, aber schlecht verankert sind, verlieren an Tempo, Zielklarheit und Wirkung. Aus einer Chance zur organisatorischen Weiterentwicklung wird ein technisches Teilprojekt. Das eigentliche Potenzial – die Modernisierung der Arbeitsweisen und Entscheidungsprozesse – bleibt ungenutzt.
Sponsorship ≠ Leadership – wenn Führung nicht nur auf Papier stattfindet
Wenn Unternehmen ein ERP-Projekt starten, wird früh ein „Sponsor“ benannt – oft ein Mitglied der Geschäftsführung oder ein Bereichsleiter. Doch die Realität zeigt: Ein Sponsortitel allein bewirkt wenig, wenn die Rolle nicht mit echter Führung ausgefüllt wird.
Viele Führungskräfte verstehen Sponsorship vor allem als formale Schirmherrschaft: Man stellt Budget bereit, nimmt an ein paar Lenkungsausschüssen teil, bekommt Statusberichte und hakt Entscheidungen ab. In dieser Variante ist Management-Support eine organisatorische Pflicht, kein strategischer Beitrag. Das Projektteam arbeitet, die Berater steuern, und das Management „beobachtet“. Genau hier entstehen die ersten Brüche – weil das Projekt zwar formal geführt, aber inhaltlich orientierungslos bleibt.
Echtes Leadership sieht anders aus. Es bedeutet, das Projekt aktiv mitzugestalten, nicht zu delegieren. Führungskräfte, die den Erfolg ihrer Organisation ernst nehmen,
- geben die Richtung vor, indem sie klarmachen, welche Ziele das Projekt wirklich erreichen soll – etwa schnellere Durchlaufzeiten, konsistentere Daten oder mehr Transparenz in Entscheidungen;
- treffen zeitnahe Entscheidungen, wenn Zielkonflikte entstehen (z. B. Standardisierung vs. Individualität);
- kommunizieren regelmäßig, warum das Projekt wichtig ist und was es für die Belegschaft bedeutet;
- und stehen sichtbar hinter dem Team, auch wenn es schwierig wird.
Dadurch entsteht der Unterschied zwischen einem Projekt, das „abgearbeitet“, und einem Projekt, das geführt wird. In Organisationen, in denen das Management greifbar präsent ist – sei es durch kurze Updates, offene Diskussionen oder klare Priorisierung – steigt die Projektmotivation spürbar. Führung schafft Richtung, und Richtung schafft Ruhe.
Zur Verdeutlichung:
Echte Unterstützung | Symbolische Unterstützung |
Formuliert ein konkretes Zielbild („Was soll das Unternehmen nach dem Projekt besser können?“) | Genehmigt das Budget und den Zeitplan |
Kommuniziert regelmäßig im Unternehmen über Fortschritt und Bedeutung | Lässt Statusberichte schreiben und unterzeichnen |
Räumt Ressourcen frei und priorisiert das Projekt sichtbar | Belässt Verantwortung vollständig bei IT oder Projektleitung |
Entscheidet aktiv bei Zielkonflikten | Verweist auf bestehende Gremien oder wartet auf externe Vorschläge |
Erkennt den Veränderungsaspekt als Führungsaufgabe | Sieht das Projekt als technische Umstellung |
Diese Unterscheidung ist kein theoretisches Detail. In der Praxis entscheidet sie, ob das ERP-Projekt als unternehmensweites Veränderungsvorhaben wahrgenommen wird – oder als ein weiteres IT-Projekt, das „irgendwann nebenher“ läuft.
Echtes Management-Engagement bedeutet also nicht, überall mitzureden, sondern an den entscheidenden Stellen Verantwortung zu übernehmen: Richtung geben, Prioritäten setzen, Hindernisse aus dem Weg räumen. Projekte, in denen das gelingt, entwickeln oft eine Dynamik, die weit über die ursprünglichen Erwartungen hinausgeht – weil Mitarbeiter spüren, dass es ernst gemeint ist.
Die indirekten Verantwortlichkeiten des Managements – was Führung jenseits des Projektplans ausmacht
Management-Support wird oft an sichtbaren Aktionen gemessen: Kick-off-Reden, Steering Committees, Statusberichte. Doch die entscheidende Unterstützung geschieht leise – in den Weichenstellungen, die Ressourcen, Prioritäten und Aufmerksamkeit betreffen. Ohne diesen organisatorischen Rückhalt verlieren selbst gut aufgesetzte Projekte an Wirkung.
Ein ERP-Vorhaben beansprucht nicht nur externe Beratungstage, sondern vor allem interne Kapazität. Prozesse müssen beschrieben, Stammdaten geprüft, Entscheidungen vorbereitet, Tests begleitet und Schulungen durchgeführt werden. Viele Unternehmen unterschätzen diesen Aufwand massiv. Eine einfache, aber verlässliche Faustregel lautet:
Für jeden Beratertag sollten zwei bis drei interne Arbeitstage eingeplant und personell abgesichert werden.
Das klingt selbstverständlich – ist es aber selten. Oft werden die erfahrensten Mitarbeitenden ins Projekt berufen, ohne ihre Linienaufgaben anzupassen. Die Folge: Überlastung, verzögerte Entscheidungen und sinkende Motivation. Hier liegt eine zentrale Management-Aufgabe: Wer strategische Projekte initiiert, muss auch Kapazitäten schaffen.
Das kann bedeuten, dass Abteilungen ihre Aufgaben temporär umverteilen oder bestimmte Linienverantwortungen bewusst entlastet werden. Entscheidend ist, dass Projektzeiten planbar und verbindlich sind – zum Beispiel über feste Zeitslots, die frühzeitig kommuniziert werden und um die andere Termine und Aufgaben herum geplant werden müssen.
So entsteht Verlässlichkeit: Mitarbeitende wissen, wann sie im Projekt gebraucht werden, Führungskräfte können Ressourcen realistisch steuern, und das Projekt verliert nicht an Schwung, weil operative Themen ständig dazwischenkommen.
Neben der Kapazität braucht es auch klare Prioritäten. ERP-Projekte konkurrieren im Alltag immer mit dringenden Themen – Kundenanfragen, Quartalsziele, operative Engpässe. Wenn das Top-Management nicht sichtbar signalisiert, dass das ERP-Vorhaben Vorrang hat, wird es schnell zur „Nebenaufgabe“. Schon einfache, verbindliche Regeln – etwa feste Kommunikationsroutinen oder ein Management-Update mit hoher Sichtbarkeit – zeigen, dass das Projekt Chefsache bleibt.
Ebenso entscheidend ist die Wahl und Unterstützung des Projektleiters. Ein ERP-Projekt braucht jemanden, der fachlich versteht, wie das Unternehmen funktioniert, und zugleich genug Autorität hat, Entscheidungen einzufordern. Diese Rolle sollte bewusst besetzt werden – nicht nach Hierarchie, sondern nach Kompetenz und Akzeptanz in der Organisation.
Und: Der Projektleiter braucht Rückendeckung, wenn er Zielkonflikte offen anspricht oder unbequeme Entscheidungen einfordert. Führung bedeutet hier, den Rücken zu stärken, nicht nur Ergebnisse zu fordern.
Schließlich liegt beim Management auch die Verantwortung für den kulturellen Rahmen. ERP-Projekte verändern Arbeitsweisen, Rollen und Routinen – und lösen damit Unsicherheit aus. Hier können persönliche Signale der Führung oft mehr bewirken als jede Kommunikationsstrategie: ein ehrliches Statement, eine offene Fragerunde, oder einfach Interesse an Zwischenergebnissen.
Solche Gesten machen deutlich: „Dieses Projekt ist wichtig für unser Unternehmen – und ich stehe dahinter.“
Erfolgsfaktoren für echten Management-Support – und die Warnsignale, die auf das Gegenteil hindeuten
Ein ERP-Projekt ist ein Stresstest für jede Organisation – nicht, weil Software so kompliziert wäre, sondern weil sie bestehende Routinen in Frage stellt. Ob ein Unternehmen diese Phase produktiv nutzt oder in Dauerkompromisse rutscht, entscheidet sich an der Führung: Wie sichtbar, verbindlich und konsistent steht das Management hinter dem Vorhaben?
Aus zahlreichen Projekten lassen sich sechs Erfolgsfaktoren ableiten, an denen sich echter Management-Support erkennen lässt – und die jeweiligen Gegenzeichen, die auf symbolische Unterstützung hindeuten.
1. Klare Zielbilder statt vager Erwartungen
Was wirkt:
Das Management formuliert, was das Unternehmen nach dem Projekt besser können soll – z. B. durchgängige Auftragsabwicklung, verlässliche Datenbasis, einfachere Steuerung. Dieses Zielbild wird kommuniziert und regelmäßig überprüft.
Warnsignal:
Wenn das Ziel auf die Formel „Wir brauchen ein neues System“ reduziert wird oder sich niemand an die ursprüngliche Begründung erinnert, fehlt die Orientierung.
2. Verbindliche Prioritäten und Zeitfenster
Was wirkt:
Feste, geschützte Zeitslots für Projektarbeit, die in der Organisation bekannt sind. Führungskräfte stellen sicher, dass Linienaufgaben für diese Zeit delegiert werden können.
Warnsignal:
Projektmeetings werden regelmäßig verschoben, weil „das Tagesgeschäft drängt“. Mitarbeitende geraten in Dauerstress, und das Projekt verliert an Tempo.
3. Entscheidungen treffen – nicht vertagen
Was wirkt:
Das Management ist erreichbar, wenn Zielkonflikte auftreten (z. B. Standardisierung vs. Individualisierung) und trifft Entscheidungen zeitnah und nachvollziehbar.
Warnsignal:
Entscheidungen werden vertagt, bis externe Berater oder Projektteams faktisch selbst entscheiden – ohne Mandat und ohne Rückendeckung.
4. Ressourcen realistisch planen
Was wirkt:
Das Management achtet darauf, dass Schlüsselmitarbeitende wirklich Zeit haben – und nicht „nebenbei“ doppelt belastet werden. Kapazitäten werden früh eingeplant und nachjustiert.
Warnsignal:
Projektbeteiligte arbeiten zusätzlich zu 100 % Linienverantwortung; Urlaubszeiten und Peaks sind nicht abgestimmt. Überforderung wird erst erkannt, wenn Qualität leidet.
5. Kommunikation als Führungsinstrument
Was wirkt:
Die Unternehmensleitung nutzt jede Gelegenheit, das Projekt sichtbar zu machen – in Betriebsversammlungen, Bereichsmeetings oder internen Medien.
Warnsignal:
Das ERP-Projekt wird kaum erwähnt, interne Kommunikation bleibt auf technische Inhalte beschränkt, und Gerüchte übernehmen die Informationshoheit.
6. Vorbild im Umgang mit Veränderung
Was wirkt:
Führungskräfte leben selbst vor, dass neue Prozesse und Systeme dazugehören – sie nutzen Schulungen, stellen Fragen und zeigen Lernbereitschaft.
Warnsignal:
„Das gilt für meine Abteilung nicht“ oder „Ich habe dafür keine Zeit“ – solche Sätze von Führungskräften entwerten Monate an Change-Arbeit in Sekunden.
Echter Management-Support zeigt sich weniger in Meetings als in Haltungen. Führung, die sichtbar Verantwortung übernimmt, verleiht ERP-Projekten Stabilität – gerade dann, wenn sie unbequem werden. Die Erfahrung zeigt: Nicht die besten Tools oder Berater entscheiden über den Erfolg, sondern die Konsequenz, mit der das Management die Richtung hält.
Fazit – wenn Führung den Unterschied macht
ERP-Projekte sind selten reine IT-Themen. Sie sind Gelegenheiten, die eigene Organisation zu hinterfragen, Abläufe zu vereinfachen und Entscheidungen auf eine belastbare Datenbasis zu stellen. Doch damit diese Chance wirkt, braucht es ein Management, das sichtbar führt – nicht nur formal unterstützt.
Die Erfahrung aus vielen Projekten zeigt: Management-Engagement ist kein „Soft-Factor“, sondern der größte Erfolgshebel. Es entscheidet, ob ein Projekt Orientierung, Energie und Glaubwürdigkeit behält – oder in den bekannten Mustern aus Terminverschiebungen, Prioritätskonflikten und Frustration endet.
Zur Verdeutlichung zwei typische Szenarien aus der Praxis:
Projekt A – Mit aktivem Management
Das mittelständische Produktionsunternehmen stellt sein ERP-System nach 15 Jahren neu auf. Die Geschäftsführung benennt eine klare Vision („Wir wollen Entscheidungen auf Echtzeitdaten treffen“) und richtet die Projektziele danach aus.
Die Abteilungsleitungen erhalten feste Zeitslots, Aufgaben werden umverteilt, und die Geschäftsführung nimmt sich alle zwei Wochen eine Stunde für offene Fragen der Projektteams.
Ergebnis: Entscheidungen fallen schnell, Mitarbeitende verstehen das „Warum“, und das Projekt bleibt trotz hoher Belastung im Zeitplan. Nach Go-Live sprechen die Teams von einem „gemeinsamen Erfolg“ – nicht von einer IT-Umstellung.
Projekt B – Ohne greifbare Führung
Ein Handelsunternehmen plant den Wechsel auf eine neue ERP-Plattform. Das Management übergibt die Verantwortung an die IT-Abteilung und beschränkt sich auf Budgetfreigaben. Steering-Meetings werden verschoben, Entscheidungen verzögern sich, und Fachbereiche priorisieren weiterhin das Tagesgeschäft.
Ergebnis: Nach zwölf Monaten ist das Projekt doppelt so teuer, die Motivation sinkt, und viele Prozesse bleiben auf dem alten Stand – technisch modernisiert, organisatorisch unverändert.
Diese Beispiele stehen für ein Muster, das sich in fast jedem Unternehmen wiederfindet: ERP-Projekte scheitern nicht an fehlendem Können, sondern an fehlender Führung.
Wer als Geschäftsführung, Bereichsleitung oder CFO die Verantwortung aktiv übernimmt – Ziele klärt, Prioritäten setzt und Ressourcen schützt – gibt dem Projekt die Richtung, die kein Tool ersetzen kann.
Quellen
- Gartner. (2024). ERP implementation failures: Why executive commitment matters. Gartner Research Report.
- Gartner Peer Community. (2022). ERP governance and the role of executive sponsors. Gartner Insights.
- Deloitte. (2024). Three steps senior executives should take for transformation success. Deloitte Insights.
- Deloitte. (2025). CFO leadership and sponsorship in enterprise transformation. Deloitte Report.
- Bitkom. (2024). Digital Office Index 2024 – Status und Trends der digitalen Transformation in Deutschland.Bitkom Research.
Checkliste für Management Support in ERP Projekten
Diese kompakte Checkliste unterstützt Führungskräfte dabei, ihre Rolle in ERP-Vorhaben klar und wirkungsvoll wahrzunehmen. Sie zeigt, welche Aufgaben und Verhaltensweisen echten Mehrwert schaffen – von Prioritätensetzung und Ressourcensicherung bis hin zu Kommunikation und Entscheidungsfähigkeit. Jede Kategorie enthält praxisnahe Leitfragen, um den eigenen Beitrag als Sponsor oder Geschäftsführung realistisch einzuschätzen. Ideal für Kick-offs, Projektstarts oder Reviews, um Management-Support messbar zu machen und Projekte nachhaltig zu verankern.
Mehrwert:
✔️ klare Orientierung für Führungskräfte
✔️ einfache Selbstbewertung & Reflexion
✔️ stärkt Kommunikation und Verbindlichkeit